Welche Architektur passt auf das Gelände? Überlegungen zu den Werbefotografien der drei Schwitzhütten, für die ich mich entschieden habe. Welche Sehnsüchte sollen diese Verkaufsbilder wecken?
Roland Barthes hat in den »Mythen des Alltags« eine Methode der Beobachtung vorgeschlagen, die von Harun Farocki aufgriffen wurde. Zur Produktion des Centerfold der Zeitschrift PLAYBOY schreibt Farocki einen Kommentar, der wohl auf alle Werbebilder zutrifft:
Man kann sich vorstellen, daß die Leute, die ein Bild von solcher Schwerkraft zu machen haben, dies mit einer Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit tun, als müßten sie Uran spalten.
https://www.harunfarocki.de/de/filme/1980er/1983/ein-bild.html
In meinem Fall machen sie es deshalb, um einfache Holzhütten aus einem Online-Prospekt in unveränderliche Natur zu verwandeln. Die Hütten repräsentieren einen Archetypus, der aus dem Boden wächst. Ob die Kelten in Geishouse damit Freude gehabt hätten kann ich nicht sagen. Aber die Bilder schaffen Identitäten und zementieren Ideologien. In diesem Fall das Weltbild des Michel aus Lönneberga und damit die GRÜNE Lifestyle- und Mainstreamkultur.
Die Produktbezeichnungen HENRI, KIVI und PAAVO sprechen dabei für die zunehmende Infantilisierung unserer Zeit. Wohnst du noch oder lebst du schon? philosophiert IKEA. Der Vorgängerclaim war Entdecke die Möglichkeiten. Immerhin besser als Volvo for Life, den es auch mal gab. Skandinavien steht für liberale und wohlhabende Gesellschaften, intakte Natur, Werkstoff Holz, CO2 neutral, hier ist die Welt noch in Ordnung. Diese Wesenhaftigkeit ist augenscheinlich eine Täuschung. Greenwashing negiert bekanntlich Hyperobjekte wie Klimawandel, Migration, Covid, Kriege, Armut und Elend.
Daher Sauna, Körperkultur, Sinnlichkeit das Aushalten von Ambiguitäten als zentrale Herausforderung der Moderne. Nach der Schwitzhütte frische Bergluft. So das Versprechen. WAHN UND SELBSTLÜGEN BRÖCKELN war die großspurige Kampfansage unserer Ausstellung 2019. Was bleibt, ist ein unauflösbarer ästhetischer Konflikt, in dem ich stecke. In der Midlife-Crisis wie Schlingensief ein Opernhaus in Burkina Faso zu errichten ist sozialer, ehrenwerter und wahrscheinlich auch sinnstiftender als ein paar Saunahütten und einen Hipster-Camper auf ein Grundstück in die Vogesen zu stellen: der perfekte Lebensbegleiter für alle, die immer und überall zuhause sein wollen. (Werbetext).
Das Freiheitsversprechen gibt es zudem nur als Diesel, was in der grünen Mustersiedlung, in der ich in Freiburg gelandet bin, dann doch für Nachfragen sorgen kann. Beispielsweise von dem Unternehmensberater unter mir, dessen Forschungszentrum den Namen ZEN für Zusammenarbeit – Entwicklung – Nachhaltigkeit trägt. Oder von dem WIR-HAUS gegenüber, einem Modellprojekt für integratives high End Wohnen. Behinderte, Junge, Alte, eines haben Sie gemeinsam: viel Geld.
Und Ordnungssinn. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen und es gibt kaum Spielraum. Der improvisierte Zaun aus Weidengeflecht, alten Rohren und Plastikschnüren steht neben einem Briefkasten, der von den Bewohner*innen akribisch clean gehalten wird. Der Quotenhippie mit Tibetfahnen hat sich jetzt riesige Plexischeiben auf den zugigen Balkon montiert: The answer is blowing in the wind. Alles Öko, alles sauber. In der ganzen Siedlung sieht man oberflächlich nur spielende Kinder, Verbotsschilder, fünf Elektro Car-Sharings und Bullies – letztere je abgewrackter, desto besser. Die neuen Blechlawinen sind unter der Erde in der riesigen Tiefgarage versteckt, die über einen Aufzug erreicht wird. Die stündlichen DHL- und Amazonlieferungen in der Siedlung werden von Syrern getätigt: Réfugiés bienvenus au précariat !
Irgendwie bin ich genau da gelandet, wo ich hingehöre. Aber es ist gespenstisch und mitunter eklig hier.