terres inconnue hat seine Unschuld verloren. An Tag 2 der Baustelle liegt der Berghang da wie ein offene Wunde. Überall aufgerissene Erde, Gestein, tiefe Gräben, umgepflügte Grasnarben und begradigte Plateaus. Eine tote Blindschleiche liegt auf dem Asphalt, eine Maus huscht panisch über die sonnenverbrannte Lehmfläche auf der Suche nach Schutz. Kein Rotwild kreuzt den Hang, sondern ein Hydraulikbagger.
Das Getöse und Gewühle des mächtigen Geräts steckt mich an. Am Nachmittag kommt mir die Idee, die von dem Vorbesitzer Étienne zum Krüppel geschnittene Buche doch auch noch zu fällen. Ich klettere mit der elektrischen Kettensäge in luftige Höhe und beginne zu sägen. Das Hartholz ist feucht und fest, ich besorge mir daher die Motorsäge meines Nachbars. Als ich die Hälfte des mächtigen Stamms durch habe, muss ich die Leiter talseitig umsetzen. Dort fehlt aber ein Meter an Höhe, die Leiter steht steil, so dass ich die Kettensäge waghalsig über meinem Kopf ansetze. Ich bin müde und erschöpft, an dem Tag war schon viel geschehen. Am Vormittag Treffen mit Maurice zur Besprechung der Holzhütten, meine zweite COVID-Impfung, am Nachmittag wurde eine Elektroleitung vom Bagger zerteilt, der Notdienst musste gerufen werden, der die Leitung wieder in Gang setzt.
Ich stehe also oben auf der Leiter, bin am Rand meiner Kräfte und möchte eigentlich nur noch nach Hause. Gleichzeitig ist der Querschnitt des Baumstamms bereits zur Hälfte durch, am Wochenende drohen erneut Unwetter. Die alte Buche könnte auf teures Gerät oder die Strasse stürzen, die Konsequenzen sind kaum auszudenken. Ich entschliesse mich dennoch zu fahren. Noch vor drei Jahren hätte ich die Risiken der Selbstverletzung ignoriert und weiter gemacht. Nach dem Motto Augen zu und durch.
In welche Überforderung bringe ich mich mit dem Projekt? Was bin ich für ein Mensch, der eine solche Maschinerie hier in Gang setzt und brutal in diesen Lebensraum einbricht? Was habe ich hier überhaupt zu suchen?
Geishouse steht für mein neues Leben. Es ist ein Aufbruch in unbekannte Gefilde, polynesisches Segeln, das alte Muster in mir wachruft und auch Angst macht. Das Projekt folgt nicht nur meinem Wunsch eine eigene Behausung zu errichten und eine Landschaft zu formen, es ist auch eine Konfrontation mit meinen Wurzeln. Zum einen verbaue ich das Erbe meiner Mutter, zum anderen besteht die Linie der Väter aus neurotischen Männern, die ihre inneren Spannungen und Aggressionen seit vielen Generationen auf Baustellen ausagieren. Mein Urgroßvater als Bauunternehmer, mein Großvater baut und sprengt als junger Architekt Brücken an der russischen Front, errichtet Mauern im Warschauer Getto, baut dann am Wirtschaftswunder mit, mein Vater und Bruder versiegeln seit Jahrzehnten das Murgtal, mein Onkel baut Gewerbegebiete und errichtet Industriebauten.
Bauen ist immer auch wie Krieg, das lerne ich von kleinauf. Baggern und Panzern sind nicht nur die Ketten gemein. Leitungsschächte sehen nicht zufällig aus wie Schützengräben. In der schlaflosen Nacht folgen Angst- und Albträume.